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MikroNews: Zölle - Die neue Hölle

Marco Herack
9 minuten gelesen
MikroNews: Zölle - Die neue Hölle
Ein Baum in der Weißen Wüste.

Wir haben in den letzten Monaten genug darüber gehört, wie ein Donald Trump mit Zöllen im Bunde beginnen wird, die Produktions- und somit auch die Warenwelt zu verändern. 10% Zölle auf alles oder auch 20% werden einen massiven Einfluss auf die aktuell bestehenden Handelswege haben. Das trifft dann aber vor allem Europa, weil China bereits viele Zölle verkraften musste, die Auswirkungen daher vorweggenommen wurden.

Die Sorge vor Trump in Europa hat daher ein reales Fundament. Zumal Deutschland immer wieder als Missetäter in den US-Diskursen auftaucht und die Europäische Union als Ganzes unter Verdacht steht. Trump:

“I’ll tell you what, the European Union sounds so nice, so lovely, right? All the nice European little countries that get together.They don’t take our cars. They don’t take our farm products. They sell millions and millions of cars in the United States. No, no, no, they are going to have to pay a big price,”. Pennsylvania Rally

Daher möchte ich die Zollproblematik an dieser Stelle etwas näher betrachten.

Zölle sind im Grunde recht unkompliziert. Eine Ware, die eingeführt wird, wird entsprechend dem Zoll teurer. Das Geld bekommt der Staat, in den man die Ware einführt. Und ob der Verkäufer die Kosten voll weitergeben kann, das ist eine der immer unklaren Fragen.

Doch Zölle schlagen sich prozentual auch nicht 1zu1 in der Preisfindung nieder, wie man am Smart (dem Auto) sieht. Seit Januar 2025 sind die Modelle Smart #1 und #3 um rund 2.000 Euro teurer geworden. Das entspricht rund 6%. Als Grund gelten zusätzliche Zölle von 18,8% auf in China produzierte Fahrzeuge.

Doch warum überhaupt Zölle seitens der USA?

In einem Nebenstrang geht es um Finanzierung. In den USA ist mancher der Meinung, man könne mit den Einnahmen aus den Zöllen die Steuersenkungen mitfinanzieren.

Das Hauptziel der US-Zölle ist aber:

Industriearbeitsplätze zurück in die USA zu leiten. Also weg vom Warenimport aus anderen Ländern, hin zur heimischen Produktion. Dafür nimmt man dann auch in Kauf, dass die Waren heimischer Produkte teurer werden.

Weitere damit verbundene Themen in diesem Diskurs sind zunehmend die ‚nationale Sicherheit‘ und die Fähigkeit zur Innovation. Denn nur wer tiefe Kenntnisse über die Produktion habe, könne sein Produkt weiterentwickeln und diese Entwicklung planen. Oder generell innovativ sein.

Robert Lighthizer hat in seinen Überlegungen durchaus einen Punkt: Wer die Produktion kontrolliert, kontrolliert Innovationen oder ist Teil einer Wertschöpfungskette, innerhalb derer Innovationen erzeugt wird. Apples große Leistung war bspw. nicht nur das Design seiner Produkte, sondern die Integration der Produktion in diesen Designprozess und der Aufbau eines dazugehörigen Ökosystems, das dem zuarbeitet. ‚Designed in California’ aber produziert in China unter der Aufsicht und Kontrolle Apples.

Das zeigt uns wiederum. Apple hat es geschafft, die Kontrolle über den Prozess zu behalten, aber die Wertschöpfung findet außerhalb der USA statt. Und in China gilt Apple derweil als altbacken und ‚hinter der Zeit‘. Die Konkurrenz gibt zunehmend den Ton an.

Viele Unternehmen haben vor 30 Jahren begonnen, ihre Produktion nach China zu verlegen, weil es aufgrund der Arbeitslöhne dort unglaublich günstig war, Waren zu produzieren. Doch die Zeiten der günstigen Arbeitskräfte in China sind längst vorbei. Das Land ist nicht mehr billig. Teilweise sogar teurer als die reine Produktion im Westen wäre. Und dennoch kommen viele Unternehmen von China nicht los. Die Gründe im Groben:

  1. Ein Produktionsökosystem
  2. Rohstoffversorgung, die in Teilen direkt mit der Produktionszusage verbunden ist
  3. Skalierungsmöglichkeit

Das alles in einem hoch kompetitiven Umfeld, in dem jeder unter Preiszwang steht. Und Preisdruck kann man nur über Qualität oder neue Produkte aushebeln.

Anders gesagt: China hat eine Innovationsmaschine aufgebaut.

Hinter dieser Innovationsmaschine läuft eine Subventionsmaschine, mit der seitens der Partei die Wirtschaft in eine Richtung gelenkt wird. Seien es niedrige Strompreise, billige Kredite, direkte Subventionen, Regulierung oder Kaufanreize für die Konsumenten. Unternehmen werden in China gepampert, wenn es den übergeordneten politischen Interessen dient. Allein für Elektroautos sind in den letzten 15 Jahren vermutlich 231 Mrd. Dollar geflossen.

Für westliche Konzerne ist das Segen und Fluch zugleich. Natürlich hätte auch die deutsche Automobilindustrie vom Aufbau des Elektroauto-Marktes in China profitieren können, wenn sie das System in China verstanden hätte. Das ist für ausländische Konzerne aber nicht in jeder Branche gesetzt. Gerade dann nicht, wenn eine Branche als sicherheitsrelevant betrachtet wird. Doch im chinesischen Markt nicht dabei sein ist ebenfalls problematisch, denn global agierende Unternehmen benötigen die Einnahmen aus diesem Markt, wenn sie global konkurrenzfähig bleiben wollen.

Zugleich nähren sie ihre Konkurrenz mit Wissen und der chinesische Staat hat eine klare Präferenz und Absicht. Es geht oftmals um die Schaffung nationaler Champions in Industrien, die dann wiederum global expandieren können. Davon können westliche Unternehmen nur bedingt profitieren bzw. werden schnell auch mal zum politischen Feind.

Politics, nicht Wirtschaft, ist aktuell das Hauptthema.

Alle Probleme, vor denen wir stehen, beginnen an diesem Punkt.

Der größte Dronenhersteller der USA heißt Skydio. Skydio versorgt u.a. die Ukraine mit Drohnen. Nachdem das Unternehmen einen Auftrag für Angriffsdrohnen aus Taiwan gewonnen hat, verhängte die PRC Sanktionen gegen diverse Entitäten aus den USA, darunter Skydio. Das Interessante an diesem Vorgang ist, dass die PRC beim Batteriehersteller Dongguan Poweramp vorbeischaute und mitteilte, dass der Handel einzustellen ist. Dongguan Poweramp ist ein Tochterunternehmen der japanischen TDK. Und wie man sieht, hilft diese internationale Verquickung absolut nicht gegen chinesische Verbote. Skydio vermutet, erst im Frühjahr einen neuen Lieferanten außerhalb Chinas zu finden und ob dieser dann gleich liefern kann, weiß man auch noch nicht. Es fehlen also Lieferungen für mindestens 6 Monate.

Der Fall führt ‚uns‘ sehr deutlich vor Augen, was eine Abhängigkeit von China in Sachen Produktion bedeuten kann. Westliche Unternehmen sind in manchen Fällen abhängig von Produkten aus China und somit besteht ein gewisses Erpressungspotenzial. Aus dieser potenziellen Erpressbarkeit ergibt sich eine politische Aufgabe: Güter, die unsere Gesellschaft benötigt und nicht ersetzen kann, sollten aus freundlich gesinnten Regionen kommen oder benötigen eine heimische Produktion. (China+1 oder De-Risking genannt.)

Hier vermischen sich die Dinge etwas. Wir haben einerseits das Bestreben, Industrie (vulgo Produktion) auch wieder in der westlichen Welt anzusiedeln, und wir haben andererseits das Bestreben, die Produktion relevanter Güter und Rohstoffe für den westlichen Markt zu sichern. Das sind manchmal zwei verschiedene Dinge aber ein Ziel. Und es steht in Konkurrenz zu dem Bestreben der Unternehmen, möglichst viele Märkte zu bedienen, also auch den chinesischen.

Der große Streit ist nun: Wie soll das gehen?

In einem freien Staat kann man Unternehmen nicht zwingen, eine verlustträchtige Produktion aufzubauen. Es wäre auch unsinnig, da diese Unternehmen dann global an Wettbewerbsfähigkeit verlieren würden. Wir enden wie China.

  1. Subventionen
  2. Zölle
  3. heimische Marktsteuerung

Man muss das kombinieren. Also Produktion subventionieren und damit Anreize zur Ansiedelung setzen und zugleich Zölle verhängen, um die zu produzierenden Waren im Import zu verteuern, während man Kaufanreize für die heimischen Produkte setzt.

Der wichtigste Faktor scheint mir aber Fokussierung zu sein. Es muss Dinge geben, die uns nicht wichtig sind. Einerseits ermöglicht das eine Kooperation mit China in diesen Feldern und andererseits haben wir nur begrenzte Ressourcen. Hinzu muss eine europäische Koordinierung kommen. Man sieht es an der Automobilbranche, dass eine europäische Arbeitsteilung grundsätzlich möglich ist.

Unabhängig davon darf man sich von Zöllen nicht allzu viel versprechen. Man kann sie umgehen und daher müssen sie ständig justiert werden. Ein Beispiel dafür ist Marokko. Die chinesischen Automobilhersteller investieren dort und können auf ein bestehendes Ökosystem zurückgreifen. Ihre größte Angst ist, dass europäische Schutzmaßnahmen diese Investitionen entwerten.

Im Umkehrschluss wird China jede Aktion gen Entwertung dieser Investitionen als feindlichen Akt begreifen und darauf reagieren. Es wäre in dem Sinne klug, China ein Framework anzubieten, innerhalb dessen auch ein gemeinsames Engagement möglich wird. Auch gemeinsame Märkte.

Ein kurzer Vorgeschmack darauf, wie schwierig das mit den Zöllen wird, gerade auch im Sinne bestehender Handelsabkommen.

  • Warenumlenkung: Die simpelste Methode der Zollumgehung. Aus China heraus schipperte man die Waren bspw. nach Vietnam und von dort aus in die USA oder Europa.

Da Vietnam auch Waren für die USA produziert, ist die Umleitung etwas überdeckt. Sie ist derweil aber groß genug, um sie in den Zahlen nicht zu übersehen. Die Umgehung hält eine Weile, dann kommen neue Regeln und das Land wird gewechselt. Aktuell diskutiert die Industrie daher auch eine Vietnam+1-Strategie.

  • Produktionsansiedlung in Handelsvertragszonen: Aus bspw. Mexiko heraus können Waren in die USA geschippert werden. Es ist dort billiger, eine Produktion aufzubauen als in den USA direkt.

Trump möchte das Handelsabkommen USMCA (USA, Mexico, Canada) neu verhandeln und droht schon jetzt mit Zöllen. Die deutsche Autoindustrie setzt dennoch auf Mexico, weil man von da aus in rund 50 andere Länder exportieren kann. Wie lange diese dann in einem sich verschärfenden Umfeld mitspielen ist offen.

  • Weiteres: Je nach Produkt reicht ggf. auch eine Umstellung in der Lieferkette für einzelne Komponenten. Je nach Preis des Produktes ein veränderter Lieferweg oder man findet einen Weg über Zertifikateanbieter, die dann das Risiko von Nachprüfungen durch den Zoll ggf. senken.

Anders gesagt: Man verhängt nicht nur Zölle, man formuliert ein komplettes Handelsframework und hält sich alle möglichen Umgehungsmaßnahmen vom Leib. Doch was bleibt dann noch vom Handel?

Der spannende Punkt könnte die Frage sein, ob sich neutrale Produktionszonen bilden. Insgesamt oder für einzelne Produkte. Dies könnte notwendig werden, wenn man bspw. feststellt, dass die gesonderte Entwicklung (China / Westen) von Chips die Innovationen zu stark hemmt, weil die Separierungskosten zu hoch sind. Eine Lösung könnte dann sein, dass man beginnt, die betreffenden Chips in diesen neutralen Zonen zu produzieren. Es böte sich zwar Südostasien an, aber das wäre geografisch für die USA ebenso ungünstig wie Mexiko für China.

All das muss gestaltet werden, gerade dann, wenn man nicht möchte, dass die Welt in Blöcken endet. Zeitgemäß würde man diese Strategie dann wohl Block+1 nennen.

Bei all dem, was vor uns liegt, ist die Wildcard eine national-orientierte (nicht isolationistische) USA. Diese würde Handelspolitik nicht im Sinne einer Balance sehen, sondern man würde versuchen, so viel Produktion wie nur möglich ins eigene Land zu holen und gleichzeitig so viel wie möglich an andere zu verkaufen.

Trumps mutmaßliches Vorgehen ist eine Art Komplexitätsreduktion. Ein pauschaler Zoll auf alles. Produzierte Güter wechseln aktuell vielfach die Grenzen. Das ginge dann nicht mehr, da sie jedes Mal besteuert würden. Schon der Vorgang der angedachten Zölle würde bestehende Handelsverträge faktisch abschaffen und dabei eine umfassende Rechtsunsicherheit schaffen.

Sie führen aber auch zu einer Welle an Folgezöllen in anderen Ländern, da die Hersteller sich zunächst andere Absatzmärkte suchen würden, in denen sie billiger als ihre Konkurrenz sind. Wir sahen das beim Stahl unter Trump I. Daraufhin musste die EU Schutzzölle auf Stahl-Mehrimporte einführen. Wenn Trump seine Ideen zu Zöllen umsetzt, ist eine Kaskade an Reaktionen zu erwarten, die sich nicht nur gen USA richten werden, sondern die weltweiten Handelsströme komplett verändern und bisherige Freunde in eine kompetitive Lage bringen wird.

Und nun?

Die Reaktion der Märkte auf Trumps Ankündigung war eindeutig. Der Dollar wertete auf und die anderen Währungen werteten ab. China hat eine deutliche Abwertung des Yuan angekündigt, falls die USA die Importzölle für chinesische Güter einführen sollten. Die Währungsabwertungen sollen dann den Effekt höherer Zölle mehrheitlich ausgleichen. Diese Ankündigung ist bemerkenswert, da die Geldpolitik der People’s Bank of China trotz massivem deflationären Druck in China bisher nur unzureichend gelockert wurde, um den Yuan nicht zu stark zu schwächen.

Damit wird den drohenden Zöllen bereits vorab Schlagkraft genommen und bis sie kommen, gewinnen diese Länder ggü. den USA an Wettbewerbsfähigkeit. Damit droht aber auch, dass Trump höhere Zölle verhängen wird als bisher angekündigt. Es könnte eine Zollspirale entstehen.

In jedem Fall setzt die aktuelle Lage einen Anreiz dahin, dass die EU sich dem widmet, wofür sie selbst in den letzten Jahrzehnten warb. Ein Block, der nicht zwischen den Kräften (USA und China) zerrieben wird. Der Reichtum Europas ist in dem Sinne sein Absatzmarkt.

Es kommt daher auch nicht von ungefähr, dass die europäischen Gesellschaften sich gerade mit starken nationalen Tendenzen auseinandersetzen müssen. Die Lage erfordert ein ‚Mehr an Europa‘, ein machtbewusstes Europa. Das hat auch Konsequenzen für das bestehende Gleichgewicht der Institutionen und Staaten innerhalb Europas und erzeugt sehr natürlich einen Widerstand.

Europa, das war in den letzten Jahren eine fehlende Bankenunion, geringes Risikokapital, Abneigungen gegen den Kapitalmarkt oder Grenzschutz als Mittelpunkt des Seins. Wir stehen vor einer Identitätsfrage.

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