MikroNews: Wie schlimm wird es?
Ich möchte heute mal etwas tun, was ich sonst nicht tue. Einen Newsletter aus der Hüfte schießen (und einen Text mit ‚ich‘ beginnen). Nachdem Donald Trump gestern zum nächsten Präsidenten der USA gewählt wurde, liest man sehr viel darüber, wie schlimm das alles wird. Eines der Wirkungsmuster von Trump scheint mir aber auch, desto panischer und aufgeregter es ist, desto schwieriger kann man sich einigen. Trump lebt von dieser Aufregung, er gewinnt dadurch an Energie. Nur was ihn langweilt, kann schnell vom Tisch.
Mein Vorschlag ist daher: Es wird anstrengend.
Diese klare und unumstrittene Wiederwahl Trumps bedeutet aus meiner Sicht vor allem einen Abschied von dem Gedanken, dass es ein Zurück gäbe. Gibt es nicht. Es wird alles neu verhandelt. Wenn bei der nächsten Wahl in den USA ein Demokrat gewählt wird, dann wird dieser ein anderes Mindset vertreten als das, was wir von den Demokraten gewöhnt sind. Das Trump’sche Denken wird ab jetzt normalisiert.
Anstrengend heißt, dass es im Grunde für alles Lösungen gibt, wenn man sie nur sucht und sich flexibel zeigt. Keine deutsche Stärke.
Nato
In unserem Newsletter www.auslandsbericht.de habe ich im August die These entwickelt, dass es eine Möglichkeit gibt, die Nato auch unter Trump, zusammen mit den USA, am Leben zu erhalten. Das bedeutet allerdings, dass die europäischen Staaten in der Nato den USA in Asien beistehen müssen. Und dazu wiederum bedarf es einer klareren Positionierung gegenüber China.
Es gibt seitdem auch Signale aus den USA, dass man kein Interesse daran habe die Nato einzutüten. Aber man wird den Europäern wesentlich mehr Beteiligung abverlangen. Annalena Baerbock rekurrierte darauf heute auch sogleich. Alle kennen die Richtung.
Der neue Nato Generalsekretär Rutte hatte schon früher eine Arbeitsebene mit Trump gefunden. Darauf lässt sich aufbauen. Was weniger in der Diskussion ist aktuell, aber eine Tatsache: Die Nato verhandelt gerade die Neuabsicherung gegen Russland und das wird massive Investitionen erfordern. Die Bundesregierung schiebt diese Investitionen nach hinten raus, statt bereits jetzt damit anzufangen.
Ukraine
Europa kann aktuell nicht die US-Hilfen kompensieren. Das ist leider ein Fakt und der muss geändert werden. Hier wird es sehr ruckelig. Aber man darf auch nicht voraussetzen, dass Trump einfach die Ukrainehilfen streicht. Dafür gibt es auch bei den Republikanern zu viele widerstrebende Interessen.
Ein Beispiel: Das US House Speaker Mike Johnson die Ukraine-Hilfen schlussendlich zur Abstimmung stellte, beruhte auf einem Lobbying über evangelikale Gruppen. Die Verbindung hier ist, dass die Evangelikalen in Russland verfolgt werden. Europäische Diplomaten und die Geheimdienste spielten ebenfalls eine Rolle.
Hier zeigt sich, dass viel möglich ist. Johnson selbst wurde zuletzt angegangen, weil er sich nicht für Ukrainehilfen aussprach. Er sagte allerdings, dass er hoffe, dass sie nicht notwendig seien. Das lässt Türen offen.
Zölle
Trump basiert auf Deals. An der Stelle wird man sehr kreativ werden müssen, um Trump ein Paket zu schnüren, dass ihm zusagt. Die Gegenmaßnahmen sind jedenfalls gesetzt. Ich würde ja vermuten, dass die größeren Konzerne in den USA das ein oder andere an der Regulierung in Europa zu bemängeln haben. Gerade die Tech-Konzerne. Hier könnten sich Möglichkeiten ergeben.
Unabhängig davon war schon Joe Biden hier kein Superpräsident für uns. Der Inflation Reduction Act mag keine Zölle gewesen sein, aber er hat aktiv darauf abgezielt, auch europäische Unternehmen zur Produktionsverlagerung gen USA zu bewegen.
Die Zölle werden insofern spannend, als dass sie die Inflation in den USA treiben werden. Zwar kann man das durch Steuersenkungen erstmal kompensieren, doch der Effekt wird sich am Ende durchsetzen.
Umwelt
Die Öl-Industrie findet den Inflation Reduction Act super (weil sie daran verdient). Außerdem wäre ihr ein verlässliches Regelwerk lieber, auch weil das weniger Widerstände erzeugt. Ich würde es als das nehmen was es ist. Ein Interesse einer Industrie, die bei Trump gehör findet.
Das andere ist, dass viele Dinge angeschoben wurden, die nun am Laufen sind. Das wird Auswirkungen haben. Die Autoindustrie wird ebenso auf ein verlässliches Übergangsregelwerk drängen und das wird auch im Interesse von Elon Musk sein.
Ansonsten gilt es hier abzuwarten. Der Bereich ist mit sehr viele Unklarheiten versehen.
Handel & Produktion
Einer der Gründe, warum ich mich in den letzten Monaten mit Südostasien beschäftigt habe, ist, dass sich die Region versucht als neutrale Zone zwischen den USA und China zu platzieren. Und ich bin der festen Überzeugung, dass hier die größten Chancen für Europa liegen, wenn man sie denn nur nutzen möchte.
Dafür muss man sich aber von sich selbst frei machen. Statt uns unendlich auf die USA zu fokussieren, ist dieser Markt künftig eben nur noch einer von vielen. Das liegt an den USA selbst, aber auch an der wirtschaftlichen Entwicklungsfähigkeit anderer Staaten.
Das Ding ist halt: Niemand wartet auf uns. Alles, was wir erreichen können, muss mehr oder weniger einen partnerschaftlichen Ansatz pflegen und politisch auch offenherzig begleitet werden. Die Tonlage wird sich ändern müssen. Es geht dabei zwar auch, sich von China und den USA unabhängiger zu machen. Doch in den Vordergrund würde ich stellen, dass ‚wir’ Regionen mitentwickeln und dabei gewisse Standards vor Ort schaffen.
Z.b. hat der große Angstgegner der deutschen Automobilindustrie BYD aktuell keine Lust, in Südostasien Infrastruktur aufzubauen. Man will nur Elektroautos verkaufen. Deutsche Autokonzerne könnten das Thema zusammen mit den Regierungen vor Ort anders angehen und sich so Vorteile verschaffen. Investitionen und Augenhöhe.
Das erfordert alles ein gewisses Unternehmertum. Die Zeiten der fetten Dividenden sind vorbei, es muss jetzt wieder um Marktanteile gekämpft werden.
Was mich wirklich sorgt
Einer der mir wichtigsten Punkte ist, dass mit der Enthemmung, die wir im US-Wahlkampf gesehen haben, eine neue Phase dessen eingesetzt hat, was möglich ist. Dieser Enthemmung müssen wir in unseren Gesellschaften entgegenwirken. Und das kann nicht über ständige Kommunikationsabbrüche oder Ausraster erfolgen.
Das heißt bei all den Herausforderungen vor denen wir stehen, muss sozialer Friede und ein Mindestmaß an Verteilungsgerechtigkeit mitgedacht werden. Aber auch ein ‚gemeinsames Anpacken‘. Aktuell ist davon in allen Parteien wenig zu sehen.
An der Stelle könnten ein paar Hinweise auf diverse Podcasts erfolgen, wie beispielsweise unsere Folge mit Denis Suarsana zu Südostasien. Stattdessen der Hinweis, dass alle Themen gut über unsere Episodenliste zugänglich sind. In jedem Fall werden alles hier angesprochene in den nächsten Monaten vertiefen müssen.
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