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MikroNews: Wie bedrohlich ist Spotify für Podcasts?

Marco Herack
5 minuten gelesen

Vorab in eigener Sache: Wir werden bei den Mikroökonomen dieses Jahr Weihnachten und Neujahr wirklich mal frei machen. Also keine Freizeit zum Podcast produzieren wie im Oktober-Urlaub, sondern richtig frei zum Erholen. In Zahlen: drei reguläre Folgen (bis 202) und eine Buchbesprechung sollten dieses Jahr noch erscheinen. Was die Foreign Times betrifft, bin ich gerade in Gesprächen, obs dieses Jahr noch 1-2 Folgen gibt. Das nächste Thema wird Belarus sein.


Spotify und das Podcast-Monopol

In den letzten Wochen hat sich eine Diskussion um Spotify entwickelt, die nahelegt, dass Spotify ein Monopol in Sachen Podcasts anstrebt. Ich bin da skeptisch, auch was die Motivation von Spotify selbst betrifft.

Spotify ist ein Musikstreaminganbieter. Als Kunde zahlt man dem Unternehmen einen monatlichen Beitrag und kann dann unbegrenzt Musik hören. Zumindest aus dem verfügbaren Katalog. Ich selbst habe selten mal den Fall gehabt, dass ein Lied nicht verfügbar war. Die Flatrate ist also gut investiertes Geld für die Kundinnen und Kunden, die zusätzlich zu diesem Service auch keinen Wohnplatz mehr für CDs und Schallplatten opfern müssen. (Abseits persönlicher Vorlieben. I feel you, Jan.)

Von jedem Dollar, den Spotify einnimmt, muss es rund 70% an die Musikindustrie abgeben. Von den verbleibenden 30% werden die Infrastruktur- und Verwaltungskosten gedeckt. Das Geschäftsmodell rechnet sich bisher nur schwerlich und so wird auch der Konflikt mit Apple verständlich. Muss man einerseits 70% des Umsatzes an die Musikindustrie und anderseits 30% (im ersten Abo-Jahr) oder 15% (ab dem zweiten Abo-Jahr) an Appstore-Anbieter abdrücken, dann rechnet sich das nicht.

Im dritten Quartal hat das Unternehmen einen Verlust von 68 Cent je Aktie eingefahren. Weltweit nutzen 320 Millionen Menschen den Service. 144 Millionen zahlen dafür, der Rest nutzt die eingeschränkte Variante, die über Werbung finanziert wird.

Das vom CEO Ek ausgegebene Ziel ist: „We’re building the world’s largest audio network and it’s clear that our strategy is working.“ Man möchte also das größte Audionetzwerk der Welt aufbauen.

Aus den vergangenen Verhandlungsrunden zwischen Musikindustrie und Streamingplattformen wissen wir, dass die Plattformen zunehmend weniger verdienen werden und die Musikindustrie tendenziell mehr vereinnahmen will. Plattformen, die ausschließlich von diesen Contentanbietern abhängig sind, wie Spotify, haben es in diesem Sinne schwer. Einem Unternehmen wie Apple oder Amazon, beides Konkurrenten von Spotify, dürften die Verhandlungen leichter fallen. Sie können zusätzlich mit dem Delisting der Musikkataloge in ihren jeweiligen Stores drohen und besitzen so sehr viel mehr Verhandlungsmasse.

Dieser Abhängigkeit kann Spotify nur entkommen, wenn es eigenen Content produziert. Dazu gab es in der Vergangenheit verschiedene Ansätze, die alle mehr oder weniger scheiterten. Podcasts sind der aktuelle Versuch und scheinbar auch der bisher erfolgreichste. CEO Ek erwartet, dass Nicht-Musik für 20% der Umsätze sorgen wird. Problem ist: Die Geldverteilung mit der Musikindustrie bezieht sich auf alle Umsätze. Bei den Verträgen ist es egal, ob das Geld aus Podcasts oder Musikstreaming kommt. Das heißt, hier muss erstmal neu verhandelt werden.

Unbestritten ist, dass der Vorstoß von Spotify in den Bereich Podcasts ein Ernsthafter ist. Das Unternehmen hat stark investiert und diesen Markt bereits verändert, es hat ihn vor allem aber größer gemacht. Etwas, das Apple trotz exponierter Stellung über iTunes als Podcast-Verzeichnis nie befördert hat.

Nur wie wird daraus gleich ein Monopol? Der Vergleich mit dem Videoportal Youtube ist insofern schwierig, als dass Youtube sich dadurch auszeichnet für alle jederzeit zugänglich zu sein. Youtube-exklusiver Paid-Content existiert, er spielt aber keine sonderlich große Rolle. Auch der Vergleich mit Netflix scheint mir schwierig, da Netflix sich mit seinen Eigenproduktionen wesentlich unabhängiger von Lizenzgebern einerseits und Konkurrenten anderseits gemacht hat.

Netflix wurde beispielsweise auch dadurch groß, dass es Nischenproduktionen einen Platz gegeben hat, die Fangemeinden anzogen, die „im Mainstream“ keinen Platz fanden. So etwas findet bei Spotify gar nicht statt.

Auch sind Podcasts nur ein netter Zuverdienst, wenn denn alles funktioniert. 20% des Umsatzes sind kein neues Geschäftsmodell per se. Aber ja, Eigenproduktionen sind die einzige wirkliche Möglichkeit, sich von der Konkurrenz zu unterscheiden. Ein Blick auf die Eigenproduktionen zeigt, dass dabei vor allem Risiken vermieden werden. Popkultur spielt eine starke Rolle. Sei es Luisa Neubauer, die uns über die Dringlichkeit des Klimawandels informiert und dabei aus ihrem Leben erzählt oder Enissa Emani, die als Comedian eine Art Lebenshilfe ausformuliert.

Das Sendungsschema für Podcasts ist nicht sehr ambitioniert. Urban, modern, bekannte Persönlichkeit. Erfolg ist also bereits da und wird nur noch weitervermarktet. Das Wesensmerkmal ist es, Streit zu vermeiden. Der interessanteste personelle Einkauf des Unternehmens war Joe Rogan. Sein Podcast zeichnet sich dadurch aus, dass jeder alles sagen darf. Es geht weniger darum, die Dinge zu ergründen, sondern die Menschen, die diese Dinge sagen, vorzustellen, vulgo sprechen zu lassen. Natürlich gibt es dann gelegentlich Aufregung um den Gast selber und das, was er (meist ein er) sagt. Der Host selbst lebt hier vor allem seine Unfähigkeit zu Konflikten aus. Auf den zweiten Blick dann doch das perfekte Match für Spotify.

Auch andere Schritte sind von einer ähnlichen Prägung durchzogen. Da viele erfolgreiche Podcasts narrative Erzählungen beinhalten, hat man mit Chernin Entertainment einen Vertrag geschlossen, demnach Spotify Originals zu Filmen, TV Shows und Digitalserien verarbeitet werden könnten. Das heißt, aus Gesprächsformaten werden Talkshows, aus Hörspielen werden Kurzfilme oder Reportagen und natürlich kann man das alles als Serie fabrizieren. Der crossmediale Ansatz ist nicht sonderlich kreativ, aber vielleicht sehr effektiv, denn Originals heißt auch immer ‚Schaffung einer neuen Marke‘.

Interessant ist das alles insofern, als dass sich zeigt, dass die Vermarktung von Podcasts weit mehr ist, als dass, was das Medium selbst hergibt. Und das ist auch notwendig, denn in den USA werden für Podcasts in 2021 Werbegelder von nur knapp 1 Mrd. Dollar erwartet. Zum Vergleich: Der TV-Bereich zieht 70 Mrd. Dollar auf sich. Der Audiobereich, bei allem Potenzial, ist momentan ein kleiner Fisch und muss erst noch großgezüchtet werden.

Ich kann verstehen, dass sich auf Basis der Vergangenheit das Thema Podcasts und Spotify sehr leicht über die eigenen Ängste in Bezug auf Plattformökonomie diskutieren lässt. Dabei werden aber wesentliche Aspekte, gerade in Hinsicht auf die vermeintlich dominante Plattform übersehen.

Im Kern: Es fehlt der Wille zur Dominanz, denn dafür müsste Spotify sich selbst öffnen. Gerade die freien Podcasts haben in der jetzigen Gestaltung wenig von Spotify zu befürchten.

Mikro198 ist unser großer Einblick in das chinesische Internet

Machtverhältnisse in China zu beobachten und einzuschätzen sind recht zeitaufwändig. Ich lese nahezu täglich rund 20 Nachrichten, die sich explizit mit China befassen und versuche dadurch, ein Gefühl für die Sache zu bekommen. An dieser Stelle hat sich das mal voll ausgezahlt. Ebenso unsere frühzeitige Beobachtung der Währungsverwerfungen in der Türkei und der nun eingekehrten Wende.

Mikro199 ist unser am besten kuratierter Podcast bisher. Völlig unabsichtlich.

Im Idealfall passt alles zusammen. Ein Thema greift ins andere und so ergänzt sich das Ganze und ihr könnt übergeordnet noch etwas weiterdenken. Nunja. Mit dieser Folge ist das mal gelungen. Natürlich vollkommen ungeplant. Aber es passt alles zusammen. Von Soloselbstständigen, über Sambia bis hin zu China und seiner Beziehung zu den Entwicklungsländern.

MikroBuch019 über Machonomics

Barbara hat euch eine Einleitung geschrieben und die Buchbesprechung selbst ist derweil auch online. Begeisterungsstürme gabs keine. Aber hey, wir haben die armen Ökonomen und Ökonominnen verteidigt.

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