MikroNews: Was wurde aus Gamstop?
Ich werde euch an dieser Stelle eine nachgelagerte Betrachtung zu Gamestop nicht ersparen. Denn wenn man nun, eine Woche später, auf das Geschehen schaut, dann fällt einem vor allem die Ruhe auf.
„Die Medien“ haben sich längst anderen Themen zugewandt. Bei Wallstreetbets ist ein Mod-Kampf entbrannt und Reddit hat durchgegriffen. Das Ergebnis könnt ihr hier lesen. Etwas Hintergrund hier. Und Forendrama hier.
Die eigentliche Nachricht daran ist so ziemlich genau das, was ich vermutet hatte. Die Interessen splitten sich auf, die Protagonisten beginnen ihren eigenen Vorteil zu suchen und dadurch geht die Schlagkraft verloren, die man kurzzeitig hatte. Kein Wunder, es winken Millionen, die über 4 Filme und 1 TV-Show zum Thema verteilt werden. Der Kurs vom Gamestop ist derweil auf 63,77 Dollar gefallen. Zur Erinnerung: Das Hoch lag bei 483,00 Dollar.
Das schnelle Desinteresse zeigt, dass die nun nachfolgenden Untersuchungen und daraus gezogene Konsequenzen einmal mehr nur im Lichte interessierter Kreise stattfinden werden. Die eben noch aufgeregte Öffentlichkeit schaut derweil woanders hin. Es ist genau diese ereignisbezogene Aufmerksamkeit, die Kapitalmärkte ominös und Börsen als Zockerei erscheinen lassen. Debatten zu dem Themenkomplex macht das manchmal sehr schwierig.
In der Besprechung des Vorgangs mit Mark Dittli von The Market haben wir letzte Woche das Fazit gezogen, dass das Risikomanagement, das nach der Finanzkrise etabliert wurde, im Großen und Ganzen gut funktionierte. Mohamed El-Erian, Präsident des Queens’ College, Cambridge University, sieht das etwas anders.
We have done well in reducing systemic risk in the banking system, but what regulators haven’t done well is recognizing risk doesn’t disappear. It morphs and migrates, and it migrated to the non-banks.
Grundsätzlich ist das richtig. Risiko verschwindet nicht, es wandelt sich und bewegt sich dabei von einem Protagonisten zum nächsten. Risiko verschwindet nur, wenn das Leverage, also der Hebel per Kredit aus dem Markt genommen wird. Die Freizügigkeiten im Kreditbereich haben sich seit der Finanzkrise weg von den Banken, hin zu den Nicht-Banken, oftmals Schattenbanken genannt, bewegt. Robinhood wäre eine dieser Schattenbanken. Aber wie man sieht, war diese in ihrer Risikoaufnahme beschränkt. El-Erian ignoriert das, während er es zur Kenntnis nimmt. Die Kursentwicklung an den Börsen zeigt zudem, dass der Markt sich sehr schnell wieder berappelt hat, nachdem klar wurde, dass der Vorgang ein begrenztes Ereignis war.
Dass Robinhood abrupt die Reißleine ziehen musste und in der Folge 3,4 Mrd. Dollar an Kapital aufnahm, zeigt, dass das Risikomanagement bei dem Unternehmen nicht gut aufgestellt war. Die Reißleine wurde erst gezogen, nachdem die Clearingstelle die Hinterlegungsanforderungen an Robinhood erhöhte. Statt dass der Broker erwartet hat, dass die Clearingsstelle ihre Kapitalanforderungen erhöhen wird. Hier findet sich regulatorischer Steuerungsbedarf. Dieser mündet auch in der Frage, wie hoch die Risiken für Privatanleger sein sollen. Wo liegen die Grenzen des Kredits und was darf als Unterlegung dieser Kredite dienen? Sind nichtrealisierte Gewinne auf Optionsscheinen hier wirklich angemessen? Das sind Fragen, die für Banken nach 2008 geklärt wurden.
Darüber hinaus tue ich mich momentan sehr schwer, Regulierungsbedarf zu erkennen. Wer Menschen vor potenziellen Verlusten schützen möchte, muss ihnen potenzielle Gewinne verbieten. Gedanklich fällt einem das sicher leicht, wenn man in Sachen Kapitalmarkt an eine wilde Zockerbude denkt, die wie ein Casino funktioniert. Aber stimmt das? Viele Strategien langfristiger Natur beziehen hohe Risiken als Teil eines Gesamtportfolios mit ein. Die Erträge aus hohen Risiken dienen der Minimierung weiterer Risiken oder der Optimierung der Performance einer komplexen Gesamtstrategie.
Keine Regulierung der Welt kann Zockerei verhindern, zumal sie eine finanzierende Kraft haben kann. Das Augenmaß kann da nur auf der Systemstabilität liegen.
MikroGespräch007
Marco hat mit Lars Geld gesprochen. Ein Parforceritt durch die aktuellen Themen der Konjunktur sowie ein paar Fragen zum Lieferkettengesetz und dem Investitionsabkommen der EU mit China.
Ankündigung der nächsten Buchbesprechung
Barbara hat unsere nächste Buchbesprechung angekündigt. Und sie hat Werner Plumpe sehr gut getroffen, der die These suggeriert, dass der Kapitalismus vor allem den Unterschichten zur Emanzipation diente. Das kann was geben...
Mikro205 zu Gamestop
Marco hat sich letzte Woche Samstag kurzentschlossen mit Mark Dittli von The Market zusammengesetzt und die Vorgänge im Gamestop aufbereitet. Da sehr viel schon berichtet wurde, haben wir den Fokus auf die technischen Hintergründe gelegt. Warum gab es die Handelsaussetzungen bei den Brokern? Welche Mechanismen griffen hier ineinander? Das Vorwort im Newsletter kann als Ergänzung dazu gelten.
Mikro204 zu Amazon und Geisterküchen
Ulrich und Marco setzen sich mit dem Thema Geisterküchen auseinander, die als Weiterentwicklung der Essenslieferanten gelten. Und mit Amazon, auf dessen Marktplatz es Übernahmen gibt. Zudem gehen wir der Frage nach, ob die Sanktionen gegen Syrien gewirkt haben. Ja.
Systemrelevant Folge 41-43
Bei ‚Systemrelevant‘ haben wir seit dem letzten Newsletter drei Folgen produziert. Die Themen ging von der Bewertung des Aufbaus der Impfstoffproduktion (war ok, aber nicht optimal), über die Erneuerung des gesetzlichen Rahmens der betrieblichen Mitbestimmung (gut, aber zu wenig) hin zu den bisherigen Effekten des Konjunkturprogramms der Bundesregierung (MwSt-Senkung nay, Kinderbonus yay).
Lesehinweise
Die 680 Seiten von Werner Plumpe fraßen meine Lesezeit völlig auf.
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