MikroNews: Lässt Trump die USA explodieren?
Nachdem wir uns hier im Newsletter auf zwei Wochen einpendeln (Idealzustand 1mal die Woche), möchte ich mich heute einem Problem widmen. Den US-Präsidentschaftswahlen. Es gab dazu nun auch einiges in der deutschen Medienlandschaft zu lesen, daher versuche ich etwas Kontext beizusteuern.
Persönliche Einstiege sind doof, aber der Zugang zu meinem Denken erklärt sich dennoch am besten durch mein Erleben der USA in den letzten Jahren. Seit Trumps Präsidentschaftskandidatur habe ich jedes Jahr 1 Monat Urlaub dort verbracht. In den wohlbehüteten liberalen Hotspots Californiens oder ebenso wohlbehütet in New York. ‚Flyover Country‘ ist für mich genau das, wie es heißt und entsprechend kenne ich bestenfalls die demokratische Gemütslage.
2016 war man aufgewühlt und ängstlich im Angesicht der Wahl.
2017 hat man sich für Trump geschämt und entschuldigt.
2018 hat man Trump und die Politik verdrängt.
2019 begann die Repolitisierung und die Ängste kehrten zurück.
2020 musste ich pandemiebedingt meinen Urlaub absagen. Viele Freunde flohen auf ihren Landsitz und in ihre Berghütten. Andere fliehen vor den Bränden in Californien oder haben sich selbst isoliert, damit sie in Zeiten des Virus ihre Eltern pflegen können. Wenn ich diesen Menschen erkläre, wie wir hier in Deutschland leben, also wie viel mittelbare und unmittelbare Freiheit wir noch im selbstbezeichneten Lockdown hatten, dann schauen sie mich nur noch fassungslos an.
Die Situation ist entsprechend. Das Virus beschäftigt die Menschen in ihrem Alltag mehr als die politische Situation, auch wenn das voneinander kaum zu trennen ist. Es erklärt aber vielleicht, warum der US-Wahlkampf erst rund 2 Monate vor den Wahlen an Fahrt aufnimmt.
Wir haben zwei Arten von Wettmärkten, die zumindest als Ausdruck eines gesellschaftlichen Glaubens gelten können und dadurch Risiken abbilden. Da wären zum einen die basalen Wettmärkte, siehe Tweet, auf denen Trump zulegen kann und auf denen das Rennen nicht als entschieden gilt. In der bösen Interpretation könnte man die Wettmärkte auch so interpretieren, dass Trump gewinnt, denn Joe Biden muss das ‚popular vote‘ mit rund 5% Vorsprung zu Trump entscheiden, wenn er das wesentlichere ‚electoral college‘ gewinnen möchte.
Nach der bisherigen Performance von Trump bin ich mir nicht sicher, ob die Märkte seine Wiederwahl begrüßen würden. Ein Präsident Trump steht mittlerweile vor allem für innen- und außenpolitische Unsicherheiten, die am Ende durch die US-Notenbank FED kompensiert werden müssen. Natürlich wird es Gewinner geben, doch sind diese mittelfristig vor allem dann nicht gesetzt, wenn sich die Märkte gegenseitig stärker voneinander Abschotten.
Eine größere Sorge für Beobachter der US-Präsidentschaftswahl scheint aber, dass Joe Biden gewinnt und Donald Trump die Wahl nicht anerkennt. Oder, was vielleicht wahrscheinlicher ist, dass das Ergebnis der Wahl für mehrere Wochen unklar ist. Am Kapitalmarkt, dem zweiten Indikator, nimmt man dieses Szenario und ähnliche bereits vorweg, weswegen eine hohe Nachfrage nach Volatilitätsfutures (VIX) besteht.
In Bezug auf Trump kann und muss man sich sehr viele Sorgen machen. Sei es die Dekonstruktion der Verfassung durch Leute wie Wiliam Barr oder das Provozieren von Gewalt durch agents provocateur in Portland.
Doch Trump ist wo er ist und er versucht zu bleiben. Seine Partei hat er im Griff und seine Leute arbeiten ihm gehorsam zu. Die Frage nach den Risiken wendet sich daher Joe Biden zu.
1. Ist er ein Präsidentschaftskandidat, der Trump besiegen kann?
2. Kann er den Druck managen, der nach einem Wahlsieg entstehen wird?
3. Kann er im Amt die Wogen glätten?
Die Fragen sind vorab der Ereignisse natürlich kaum zu beantworten. Wir haben jedoch Hinweise. George Packer, der sich momentan in ‚Burbon Stimmung‘ befindet, wenn er über die aktuelle Entwicklung spricht, hat ein seinem Buch „The Unwinding“ ein indirektes Joe Biden-Porträt geschrieben, in dem er über einen Biden-Guy berichtete: Jeff Connaughton.
Jeff ist am Ende enttäuscht von Washington und hat in Sachen Finanzmarktregulierung viel zu bekritteln. Er hat da nicht unrecht, seine Geschichte zeigt aber vor allem eines: Biden spielt als Zentrist innerhalb der Emotionslage des Systems. Ein aktuelles Porträt des New Yorkers bestätigt diese grundsätzliche Haltung Bidens, mit der er auch in der Lage ist Kompromisse mit Republikanern zu finden.
Er kann also durchaus die Wogen glätten. Und die Umfragewerte zeigen auch, dass er eine Chance auf den Sieg hat.
Skeptischer bin ich bei 2. Wenn Trump seinen Wahlsieg einfach „behauptet“ und Wahlfälschung zu Gunsten von Biden herbeifantasiert, ist völlig unklar, wie die Sache ausgeht. Der Supreme Court hat eine politische Neigung, die aber auch nichts bedeuten muss. Die Polizeigewerkschaften neigen den Republikanern zu. Das Pentagon ist nur bedingt freundlich gegenüber Trump gesinnt, aber die Trump-Anhänger verfügen über mehr Waffen. Man kann sich ob dieser Gemengelage in den Bürgerkrieg reindenken. Und nicht selten wird das auch getan.
Ich muss an der Stelle immer an meinen Freund Peter aus New York denken. Als wir 2019 beim Essen saßen und darüber sprachen, wer wohl Präsidentschaftskandidat werden könnte, sagt er den bemerkenswerten Satz, dass ein alter weißer Mann, der die Massen beruhigt, die beste Option wäre.
The Militias Against Masks — www.newyorker.com Early in the morning on May 11th, the neon “Open” sign in the front window of Karl Manke’s barbershop was dark. A crowd loitered in the parking lot.
Ein ähnliches Denken zitiert der New Yorker heute aus Reihen ehemaliger Obama-Helfer:
This country needs to just chill the fuck out and have a boring President.
Eigentlich ein schöner Schlusssatz, aber bei den Überlegungen sollten wir den entscheidenden Faktor nicht vergessen. Menschlichkeit.
Mikro190 über das Lieferkettengesetz und das BGE
Hannah und Ulrich haben sich zwei der großen Bretter geschnappt und sie feingeschliffen. Sprich es gibt viel Kritik an Lars Feld und seinen Äußerungen zum Lieferkettengesetz sowie dem dahinterstehenden Denken, das Menschenrechte zum Problem für die Wirtschaft werden. Und das BGE-Experiment bekommt auch sein Fett weg.
MikroBuch017 Amartya Sen und die Frage nach der Gerechtigkeit
Barbara hat sich sehr viel Mühe gegeben das sehr Komplexe Werke von Amartya Sen auf den Punkt zu bringen. Den Einführungstext könnt ihr jetzt lesen und die Aufnahme haben wir nächste Woche.
Mikro191 Zu Liefer- und Einkaufsketten
Shopping Malls leiden unter der Pandemie besonders. Es gibt hier über eine interessante Marktreaktion zu berichten, die vom Aufkauf der Mieter bis hin zur Kooperation mit Amazon reicht. Außerdem mussten wir uns nochmal mit dem Lieferkettenschmus von Lars Feld beschäftigen.
Lesehinweise
- Dass Trump eine gewisse Fixiertheit auf Obama hatte war bekannt. Aber...
Trump's disdain for Obama was so extreme that he took his fixation a step further, according to Cohen: Trump hired a "Faux-Bama" to participate in a video in which Trump "ritualistically belittled the first black president and then fired him."
- Ein einordnendes Interview zu den Verwerfungen zwischen Russland und Europa, die seitens Russland befördert wird. Es dürfte niemanden überraschen, dass ich für das Aussetzen von Nord Stream 2 bin. Ob das wirklich höhere Kosten verursacht, wäre an der Stelle die Frage. Es kostet uns auf alle Fälle einen Teil Glaubwürdigkeit bei der Umsetzung der Menschenrechte, wenn wir immer nur zuschhauen wie Russland Menschen vergiftet.
- Dan Mccrum von der FT hat einen weiteren Teil seiner Geschichte mit Wirecard veröffentlicht. Was Marsalek da im Hintergrund an Manipulationen versucht hat, hätte man demnach ab 2016 bei der FT abfragen können. Warum die BaFin das nicht getan hat, bleibt weiterhin ungeklärt. Leider Bezahlcontent, aber mein "Giftlink" hält 3 Leser.
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