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MikroNews: Sicherheit schafft man nicht durch geringere Risiken

Marco Herack
4 minuten gelesen

Seit Samstag herrscht in Köln von 21:00 bis 5:00 Uhr Ausgangssperre. Das sei nicht zu vermeiden gewesen, wird mir vom Rat der Stadt übermittelt. Meine Bürgermeisterin formuliert das so:

Die beschlossenen Ausgangseinschränkungen - die ersten nach dem 2. Weltkrieg - seien jedoch das letzte verbleibende Mittel der Stadt, um das Leben und die Gesundheit der Bürger zu schützen.

Da habe ich nicht schlecht gestaunt, denn noch Mitte Februar war Frau Reker für die No-Covid Strategie (Inzidenz 10 als Grundschwelle und viel Testen), während Köln Ende März dann eine Modellstadt für Öffnungen sein sollte. Jetzt also Ausgangssperre als letztes Mittel. Was droht uns wohl für Mai?

Der Inzidenzwert stieg während dieser wendevollen Zeit von rund 65 auf 178. Die Fallzahlen von 900 auf 3.000. Die Krankenhausbetten werden knapp, sprich man muss innerhalb Kölns umverteilen. Die Stadt beruhigt aber: In NRW gibt es noch ausreichend freie Betten. Rund 500. In den Krankenhäusern selbst wird mit Schnelltests gearbeitet, falls man aus einem anderen Grund als Corona da rein muss.

Momentan fährt Köln sein Schnelltestregiment nach oben. In der Apotheke um die Ecke kann man einmal wöchentlich einen kostenlosen Schnelltest machen. Macht man bei der Anmeldung einen Schreibfehler in seinem Namen, dann auch unkompliziert mehr. Bei der Teststelle Lanxess-Arena kann man sich nun jederzeit kostenlos Schnelltesten lassen.

Der NRW Gesundheitsminister Laumann, aber auch die Stadt Köln selber, suggerieren, dass man mit den Tests eine gewisse Sicherheit schaffe. Entsprechend oft höre ich den Satz: „Ich lass mich Testen, dann sind wir „sicher“.

Ganz so einfach ist es leider nicht. Zitat Drosten: „Die Schnelltests schlagen erst am Tag eins nach Symptom-Beginn an, da ist man aber schon drei Tage lang infektiös.“ Da man zugleich 8 Tage ansteckend ist, werden also 3 Tage nicht abgedeckt.

An der Stelle fangen alle meine Probleme mit der aktuellen Lage an. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen habe ich gar kein Problem damit, in der abendlichen Ausgangssperre zu sitzen. Wenn das hilft, von mir aus. Auch dann, wenn ich nicht davon überzeugt bin.

Ich halte aber seit Beginn der Pandemie die Wortwahl der Politik für ein Problem. Sie tut so, als ob die Maßnahmen Sicherheit bringen. Die Maßnahmen reduzieren aber bestenfalls die Risiken. Und gesenkte Risiken ermöglichen dem Individuum, gezielt Risiken einzugehen. Das fängt bei der Wahl der Einkaufszeiten an und hört beim Urlaubsort nicht auf.

Die Politik hat sich mit ihrer Wortwahl selbst in eine nicht-lösbare Situation gebracht. Mehr Maßnahmen können nicht mehr Sicherheit mit sich bringen, weil man ja bereit sicher war. Ein Grund, warum schärfere Einschränkungen zurzeit ausgeschlossen scheinen.

Mein Bundesland (NRW) hat das zusätzliche Problem ‚Armin Laschet‘. Laschet will irgendwie liberal sein, also möglichst wenig verbieten. Das führte dann zu absurden Situationen, in denen die Karnevalsvereine dafür lobbyieren mussten, dass Karneval ausfällt. Oder dass ich nach der Rückkehr aus einem Risikogebiet weder Tests noch Quarantäne verüben musste. Das tat ich dann in Eigenverantwortung.

Momentan treibt man den Irrsinn auf die Spitze. Gesundheitsminister Laumann behauptet in Interviews, dass bei einer Inzidenz über 200 "gar nichts mehr gehe". Danach sagt er, dass man ja eh nichts tun könne und wir uns mit der neuen Mutante an die Mehr-Toten einfach gewöhnen müssten. So hat er das natürlich nicht gesagt, wir müssen uns nur an die höheren Inzidenzen gewöhnen. Die Toten erwähnt keiner.

Da läuft nichts mehr? Die Stadt Bonn möchte bei einer Inzidenz von 180 die Kitas schließen. Also noch bevor man die Schwelle von 200 erreicht. Auch, weil man bereits weiß, dass man 200 erreichen wird. Die Landesregierung NRW lehnt das ab. Ein ähnliches Gebaren hat Dortmund im März erfahren. Damals ging es um die Inzidenz-Schwelle von 100. Wen die Realität nicht zu den eigenen Schwellenwerten passt, erfindet die Regierung Laschet einfach neue Schwellenwerte.

Dieses Theater läuft nun so seit Februar. Aus der einst hehren Absicht, die Inzidenzen auf unter 50 zu drücken, ist auf Bundesebene derweil ein Kuddelmuddel aus Maßnahmen geworden. Da man sich auf Beschränkungen bei hohen Inzidenzen nicht einigen konnte, hat die Bundeskanzlerin sich darauf beschränkt, zu viel Öffnungen bei niedrigen Inzidenzen verhindern. Das Mittel der Wahl: Es wurden Zeitschienen eingezogen wurden.

In der Konsequenz bedeutet das, dass man die Risiken den niedrigen Inzidenzen zugeordnet. Und natürlich kommt das bei den Menschen an. Vorsicht ist momentan nicht das Mittel der Wahl.

Natürlich weiß ich, dass nicht jeder mit den Maßnahmen einverstanden ist. Was dem einen zu viel ist, ist der anderen zu wenig. Man könnte das als politischen Meinungsraum begreifen und öffentlich verhandeln. Aber geschieht das?

Von Politikerïnnen erwarte ich in einer Krise Führungsstärke. Klare Ansagen, konsequente Richtung. Auch gegen Widerstand. Und ein stetes Begründen dessen, was man tut.

Ich sehe das momentan nicht in Deutschland. Stand 18.04.21.


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Systemrelevant

Lesehinweise

  • Nicht sehr überraschend. Während sich Unternehmen gerne mit sozialen Slogans schmücken, setzen sie die selbstgesetzten Ansprüche an die Gesellschaft dann selbst nicht um. Schwarze Influencer verdienen beispielsweise weniger.
  • Der globale RMB wird kommen, sagt SupChina (meine Hauptquelle für News aus China). Die Argumentation ist nicht uninteressant und hat auch viel mit Russland zu tun. Und Iran und Nord Korea. Das muss keine sehr gute Entwicklung sein. Meine Interpretation: ‚China is going rogue‘.
  • Wenn die Arbeitnehmer eines Unternehmens aus der Gig Economy zusammenarbeiten, dann klappt so ein Algorithmus schnell zusammen. Hier am Beispiel DoorDash.
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