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MikroNews: Die Kohle ist knapp

Marco Herack
4 minuten gelesen

Aus unserem kleinen Podcast Universum gibt es Neuigkeiten. Wir begrüßen „Klasse! Der ver.di Wirtschaftspodcast“ in unserem Portfolio.

Wie immer gilt: Gebt dem Kind 5-6 Folgen Zeit, dann beginnt sich alles einzupendeln.


Die Weltwirtschaft ist momentan im Dramamodus. Von fehlenden Containern und Schiffen über zu geringe Produktion bei Chips und Plastik kommen wir nun zur Kohlekrise in China. Eigentlich ein Podcastthema, aber wir schaffen es nächste Woche nicht und bis übernächste Woche möchtet ihr vielleicht nicht warten.

Das Thema Kohle haben wir erstmals im August aufgetan, im Zuge der Nachbearbeitung meines Urlaubs. Das heißt das, was wir in China gerade sehen, baut sich seit aktiv Juli auf. Genaugenommen aber seit ein paar Fehlentscheidungen im Jahre 2019.

Seit ein paar Wochen wird in China Elektrizität rationiert, wobei sich der Radius ausweitet. Derweil soll die Hälfte der Provinzen betroffen sein. Man nimmt den Strom da weg, wo er nicht zwingend gebraucht wird, und packt ihn da hin, wo er definitiv gebraucht wird. In der Praxis bedeutet das bspw. abgeschaltete Aufzüge und Klimaanlagen oder Geschäfte, die früher schließen müssen. Das öffentliche Leben verlangsamt sich, Autos müssen auf dunklen Straßen fahren. Gelegentlich gibt es zusätzlich einen simplen Stromausfall.

Warum das alles passiert, ist gar nicht so einfach zu beantworten. Am Anfang hieß es noch, die chinesischen Provinzen würden ihre Stromversorgung kappen, um die vorgegebenen Klimaziele zu erreichen. Das klingt für manchen wünschenswert, war und ist aber eher als Propaganda zu werten. Gewichtiger ist, dass die aktuell hohen Kohlepreise es für Kohlekraftwerke unprofitabel machen, Strom zu produzieren.

Chinas Stromversorgung ist zu 70% von Kohle abhängig, dessen Preis seit Jahresanfang von 69 auf 235 Dollar je Tonne stieg. Eine Preissteigerung, die man in China nicht an die Endkunden weitergeben wollte. Es gab ein Preissteigerungsverbot. Das Ergebnis dieser Politik war logisch. Der Kohlepreis ging nach oben und die Unternehmen konnten die gestiegenen Preise nicht an die Endkunden weitergeben. Sie hätten so Verluste eingefahren. Also wurde, statt sich Kohle über den Markt zu besorgen, erstmal die Lagerbestände abgebaut, sprich verbrannt.

Das gleiche passierte wegen der vor dem Pricecap gestiegenen Endkundenpreise auch bei den Verbrauchern. Diese bauten ihre Kohlebestände erstmal ab. Man muss an der Stelle kein Ökonom sein, um zu ahnen, dass die Lager irgendwann leer sind. Ein leeres Lager bedeutet nur nicht, dass man nichts mehr verbrauchen muss. Im Gegenteil führt ein leeres Lager zu Panikkäufen und somit explosionsartig steigenden Preisen, weil die Nachfrage ruckartig steigt.

Am Markt selber hat man die Entlastung durch den Lagerabbau der privaten Haushalte kaum gespürt, da zugleich die Industrienachfrage um 11% gestiegen ist. An der Stelle kommt ein weiterer Wundermechanismus chinesischer Machart ins Spiel. In 2019 wurden Langfristkontrakte zwischen Energieerzeugern und Netzbetreibern eingeführt. Da es ein Überangebot an Kohleenergie gab, haben die Netzbetreiber seinerzeit sehr günstige Konditionen abgeschlossen. Was volle Absicht war, denn in 2020 hat die Regierung dann auch 'nur sinkende Preise' erlaubt.

Sozialismus hin oder her. Die vielgepriesene chinesische Planwirtschaft hat an dieser Stelle völlig versagt, weil niemand gerufen hat: „Ich zahl das!“ Entsprechend wollte keiner zahlen und der Letzte in der Kette muss nun zum Leidwesen aller ran.

An der Stelle könnte man lachend in den Wald gehen, aber China steht mit seinem Problem nicht alleine da. Indien hat ebenfalls ein Versorgungsproblem mit Kohle.

Und auch in Indien ist das Problem weitestgehend hausgemacht. Der Energieverbrauch war zuletzt 17% über dem des Jahres 2019, also vor Covid. Statt Kohle in die steigenden Preise hinein einzukaufen, hat man in Indien die Lagerbestände abgebaut. Im August sind die Kohleimporte um 30% gesunken. Und nun sind die Preise für Kohle noch höher und die Lager sind leer.

Warum man keine Kohle importieren möchte, ist vom Argument her leicht sonderbar. Je mehr teure Kohle man importiert, desto mehr Inflation würde man auslösen. Das stimmt natürlich, nur ist der Kohlepreis während des Lagerabbaus noch teurer geworden und damit wird die Inflation, die man irgendwann durch Kohleimporte einführen muss, noch höher. Man könnte meinen, in Sachen Energieversorgung hat man es mit Spekulanten und weniger mit Planern zu tun. Zumal man in Indien wissen konnte, dass auch seitens China Druck auf die Preisbildung entstehen wird. Es war klar, dass die Situation schlimmer wird.

Energiebeschaffung und Energiepreisschwankungen sind keine Neuheit. Das gab es immer wieder und die Regierungen weltweit sollten eine gewisse Erfahrung mit solchen Situationen haben. Doch genau das Gegenteil scheint der Fall. Ungenügende Regulierungssysteme treffen auf die Absicht, die Bevölkerung vor den Preisanstiegen zu schonen, womit alles nur noch schlimmer wird.

Die gute Nachricht ist, dass man sich vor solch autokratischen Fehlplanern, wie in China gesehen, nicht sonderlich fürchten braucht.

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