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MikroNews: Der Einstieg in den Ausstieg

Marco Herack
5 minuten gelesen

Es gibt Erfreuliches zu berichten:

Mit unserer Themensetzung der letzten Monate (Lieferketten, Kapitalmarktumbau in China und Rohstoffversorgung) haben wir es geschafft der öffentlichen Debatte voraus zu sein. Während nun allseits über Inflation und Lieferketten gerätselt wird, können wir euch bereits die grundsätzlichen Erklärungen verlinken, die uns zu diesem Punkt brachten. Siehe daher unten unsere Link-Sondersektion.

Damit wir das auch künftig tun können, gibt es seit April ‚MikroPremium‘.

Mit ‚MikroPremium‘ schauen wir für Abonnentïnnen zeitlich exklusiv und tiefergehend auf die Dinge, die uns umtreiben. Unser Ziel ist simpel: Wir wollen verstehen und Wirtschaft dabei umfassender betrachten als über die reine Datenlage.

Momentan ist ein zeitlich exklusives ‚MikroGespräch‘ mit Felix Dachsel, Chefredakteur von Vice News, über Aserbaidschans Einflussnahme auf Bundestagsabgeordnete im Premium-Feed. Die Tage folgt ein Gespräch mit Olaf Storbeck, von der Financial Times, über die aktuelle Entwicklung im Wirecard-Untersuchungsausschuss.

Was momentan mitfinanziert wird, sind die Folgen unseres zweiten Podcasts, der Foreign Times. Aktuell könnt ihr dort eine Analyse der Auswirkungen der AfD auf Politik und Gesellschaft hören. Gäste: Katja Bauer und Maria Fiedler.


Wir uns die Inflation dahinraffen?

Über Jahre wurde beklagt, dass die Notenbanken, insbesondere die EZB, nicht in der Lage waren ihr Inflationsziel zu erreichen. Das Ziel liegt bei 2%. Gleichzeitig, so die Beschwerde, wären die Zinsen negativ und die Notenbanken kaufen Massen von Staats- und Unternehmensanleihen aus dem Markt raus. Daran sehe man doch, dass die Markteingriffe der Notenbanken nicht zur Erfüllung des Inflationszieles führen würden. Stattdessen entstünden Vermögenspreisblasen.

Die EZB, insbesondere unter Draghi, antwortete darauf, dass die Notenbank die Situation alleine nicht bereinigen könne. Es brauche Investitionen durch die Staaten selbst, die damit eine höhere Nachfrage in der Realwirtschaft erzeugen würden. Gehört wurde Draghi nicht. Zu stark konzentrierte sich Europa auf das Regime der Sparsamkeit.

Hinter dieser Aussage steht eine simple Annahme: Nachdem die EZB das schlimmste verhindert hat, sprich nach der Finanz- mit anschließender Euro-Krise Risiken aus dem Markt rauskaufte, führt eine höhere Investitionstätigkeit der Staaten zu einer höheren Nachfrage nach Waren aller Art und schafft Jobs. In der Folge steigen die Preise und mit steigenden Preisen können dann auch wieder die Zinsen angehoben werden.

Ein Nebeneffekt des Handelns der EZB ohne Ausbalancierung durch die Euro-Staaten: Am Kapitalmarkt wurde ein Umfeld geschaffen, in dem es sich lohnt, in den Kapitalmarkt (vulgo: nicht in die Realwirtschaft) zu investieren, weil dessen Renditen höher, schneller und risikoloser sind als Investitionen in die Realwirtschaft.

Erst die erhöhte Investitionstätigkeit der Staaten (bei niedrigen Schuldenquoten), ermöglich die Balance im Dreieck aus Kapitalmarkt, Realwirtschaft und Notenbank.

Die Erkenntnis kommt nun mit Covid. Vor allem die westlichen (wirtschaftlich starken) Staaten, konnten es sich in der Pandemie leisten, die Wirtschaft ausreichend stark mit Geldern zu versorgen und somit ausgefallene Wirtschaftsaktivität monetär zu kompensieren. Gleichzeitig wurden Investitionsprogramme für die Wirtschaft aufgelegt, die dieser einen zusätzlichen Schub geben.

Das aber überfordert nun die Lieferketten wie auch die Rohstoffversorgung und Vorproduktion. Waren werden knapp, Preise steigen. Entsprechend sehen wir wieder Inflation am Horizont. Der Zustand wird, nach allem, was momentan sichtbar ist, bis Ende des Jahres anhalten. Erst dann soll sich die Versorgung der Produzenten normalisieren. Mit den steigenden Preisen, steigen nun auch Zinsen. In den USA schneller als in Europa. Ganz so, wie es das Ausmaß der jeweiligen Konjunkturprogramme andeutet.

Das ist der Punkt, an dem man sich freuen könnte. Die Dinge finden in die gewollte Balance zurück. Stattdessen aber wird Inflation plötzlich als die schlechteste aller Welten gesehen. Bis hin zu sozialen Unruhen wird diskutiert, was und nun droht. Dabei haben ‚wir‘ sehr lange darauf gewartet, überhaupt mal wieder eine merkliche Inflation zu bekommen. Woran liegt diese Angst?

Zum einen kommen die Anleihenpreise unter Druck, denn wo sie woher wegen fallender Zinsen gestiegen sind, sorgen steigende Zinsen nun für fallende Anleihenpreise. Banken, allen voran japanische Banken, müssen daher umschichten und Anleihenfonds verlieren Gelder. Bei Aktien sieht es differenzierter aus. Hier fließt das Geld vor allem aus den Tech-Aktien raus, die von dem durch Covid beschleunigten Umbau der digitalen Verhaltensweisen profitiert haben.

Zum anderen liegt (wie immer) daran, dass ‚der Markt‘ jede Form von Ungewissheit hasst. Es wird schwerer, Geld zu verdienen. Man wird vielleicht erstmal Geld verlieren, bis die neuen Spielregeln klar geworden sind.

Große Unklarheit kommt aus folgender Konstellation:

China nimmt Kreditrisiken aus seiner Wirtschaft raus, indem es Unternehmen immer häufiger Pleite gehen lässt. Gleichzeitig werden die Regeln für Techunternehmen neu definiert und Renditen geschmälert. In China vermeidet man in der aktuellen Lage größere Investitionsprogramme.

Europa, allen voran Deutschland, hat sehr viel Geld für die Kompensation des coronabedingten Wirtschaftseinbruchs ausgegeben. Von dieser Stabilisierung aus wird nun ein moderates bis geringes Konjunkturprogramm ans Laufen gebracht. Der BIP-Effekt beträgt 3,5% bis 2026.

Die USA fahren unter Präsident Biden ein sehr starkes Konjunkturprogramm, das in 2021 und 2022 jeweils 3% zum BIP beitragen soll. Das Ganze soll um weitere Programme ergänzt werden.

Die drei entscheidenden Wirtschaftsregionen der Welt reagieren mit sehr unterschiedliche Strategien auf die aktuelle Konjunkturlage. Wie sich das auslässt, ist weitestgehend unklar, zumal die aktuellen Engpässe zeigen, dass mehr Förderung momentan eher negative Effekte haben könnten.

Das eigentliche Jahr der Unsicherheit ist 2022, vorausgesetzt die Virusverbreitung lässt sich mit zunehmender Durchimpfung wirklich eindämmen. Für 2021 scheint der Rahmen gesetzt. Warum ‚der Markt‘ nach 1,5 Jahren Pandemie glaubt, mit Unklarheiten nicht umgehen zu können, ist vielleicht die eigentlich spannende Frage. Die Antwort könnte lauten, dass die Rückkehr der Inflation den Ausstieg der Notenbanken aus dem Anleihenmanagement andeutet. Wer jetzt größere Summen in Niedrigzinsanleihen gebunden hat, darf durchaus Muffensausen haben.

Unsere Folgen zur aktuellen Marktlage

Mikroökonomen Podcast

  • Mikro213 - Warum versagt die Politik während Corona, wie clever China Menschenrechtsverletzungen kaschiert und warum der Rohstoffmangel eher ein gutes Zeichen ist.
  • Mikro214 - Wichtige News, für die wir keine Zeit hatte. Von den Hintergründen des Zinsanstiegs in den USA, Problemen bei Robin Hood und Ersparnisanstieg seit Covid.
  • Mikro215 über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Klimazielen der Bundesregierung und den Sinn freier Patente für Impfstoffe?
  • Mikrobuch023 geht der Frage nach, ob Kapitalismus einsam macht. Spoiler: Nein, aber...

ForeignTimes

  • Nummer 42 beschäftigt sich mit der AfD und ihrer Auswirkung auf die Gesellschaft und Politik in Deutschland.

Systemrelevant

(53) Joe Bidens Trendwende in der Wirtschaftspolitik

(54) Können Mensch und Maschine kooperieren?

(55) Wie arm ist Deutschland wirklich?

(56) Welche Regeln sollen im Home Office gelten?

Lesehinweise

Momentan lese ich als Nachtlektüre das Buch „The Ungrateful Refugee“ von Dina Nayeri. Das Ganze gibt es auch in einer kurzen Variante beim Guardian, der zweifelsohne die Intensität des Buches fehlt. Nayeri wehrt sich, im Kern, gegen den Anspruch, dass die Flüchtlinge besonders viel leisten müssen. Sie tut das, indem sie die Flucht und die Gründe der Flucht selbst bereits als Leistung definiert.

Das Feature: Wo in Deutschland Autorinnen wie Asal Dardan ihre eigene Identität eher überbetont verneinen und selbst Europa noch als Kitsch verbrämen, geht Nayeri, ebenso viel gereist, in die Vollen und nutzt dabei eine Sprache, die man nur als schonungslos und distanzfrei bezeichnen kann. Man spürt die Wut auf die Auswüchse einer politischen 'Generation Trump', der lange nichts entgegengesetzt wurde. Hier werden vor allem jene glücklich, die die Welt als zu gestaltenden Raum betrachten statt sie als Verneinungsobjekt zu gebrauchen.

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